Die Prävalenz kardiometabolischer Risikofaktoren hat global zugenommen. Vor allem oxidativer Stress und geringgradige systemische Entzündungen sind an Entwicklung und Progression zahlreicher altersbedingter sowie chronischer Erkrankungen wie z. B. Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen beteiligt. Schwere Covid-19-Verläufe werden vor allem im Zusammenhang mit erhöhtem oxidativen Stress beschrieben. Häufig entsteht ein Circulus vitiosus. Beispielsweise induzieren Hyperglykämien oxidativen Stress. Die verstärkte Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) kann wiederum Entzündungen verursachen. Diese begünstigen ihrerseits wieder den oxidativen Stress. Die Folge bei Diabetes mellitus ist ein Fortschreiten der vaskulären Komplikationen.
Besonders eindrucksvoll konnte gezeigt werden, dass niedrige Serum-Bikarbonat-Werte signifikant mit erhöhten systemischen Entzündungsmarkern assoziieren. Orales Bikarbonat hemmt dabei proinflammatorische Signalwege und hat einen sehr positiven Einfluss auf die Progression und die Prognose chronisch entzündlicher Erkrankungen. Auch entzündungshemmende und antioxidative Substanzen wie Coenzym Q10 (CoQ10), die Vitamine D und K, Zink sowie Curcumin erscheinen sinnvoll.
Auf den folgenden Seiten haben wir einige aktuelle Studien zusammengefasst, um Ihnen praktische Empfehlungen für ein adjuvantes Management von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit verschiedenen sinnvollen Vitalstoffen an die Hand zu geben.
InhaltBluthochdruckpatienten mit einem Serum-Bikarbonat-Spiegel von weniger als 22 mmol/l hatten ein signifikant höheres kardiovaskuläres Risiko, verglichen mit Probanden, deren Bikarbonat-Konzentrationen 22 bis 26 mmol/l betrugen [1]. In einer weiteren Studie wurde die Assoziation zwischen der Bikarbonat-Konzentration und der Mortalität in der Allgemeinbevölkerung untersucht. Insgesamt 31.195 Personen wurden durchschnittlich 6,7 Jahre begleitet. Von den 2.798 verstorbenen Patienten, waren bei 722 kardiovaskuläre Krankheiten und bei 620 Krebserkrankungen die Todesursachen. Verglichen mit den Teilnehmern, bei denen die Serum-Bikarbonat-Level 22-26 mmol/l betrugen, hatten die Patienten mit einer chronischen metabolischen Azidose (cmA < 22 mmol/l) ein erhöhtes Gesamtmortalitäts-Risiko und ein erhöhtes Risiko für eine krebsbedingte Sterblichkeit [2]. Diese Ergebnisse waren konsistent und zeigen, dass eine regelmäßige Kontrolle der Bikarbonat-Spiegel wichtig ist, um bei einer cmA frühzeitig eine Therapie einzuleiten und Sicherheit bei der Titration zu erhalten.
Optimal ist demnach ein stets ausgeglichener Säure-Basen-Haushalt mit einem Standard-Bikarbonat in der Blutgasanalyse (BGA) zwischen 22 mmol/l und höchstens 26 mmol/l. Die Kompensation bei chronisch metabolischer Azidose durch eine Bikarbonat-Zufuhr p.o. kann zudem die Insulinresistenz bei Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen senken und somit die Insulinsensitivität erhöhen. Daraus ergibt sich ein weiterer therapeutischer Aspekt für eine erfolgreiche Behandlung des Diabetes mellitus, der wiederum ein bedeutender Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen ist [3].
Eine behandlungsbedürftige cmA wird häufig schon in der Prädialyse beobachtet und forciert u. a. die Progression einer Niereninsuffizienz, verschlechtert die Arteriensteifigkeit und erhöht das Risiko für Arteriosklerose und kardiovaskuläre Ereignisse. Insbesondere bei älteren, niereninsuffizienten Patienten kann die Behandlung der cmA mit Bikarbonat p.o. den Funktionsverlust der Niere verlangsamen, die muskuloskelettale Gesundheit verbessern und auf diese Weise das Sterberisiko reduzieren.
Viele Patienten können alkalisierende Mittel wie z. B. Kaliumcitrat wegen der Nebenwirkungen (Hyperkaliämie, Magendarmstörungen etc.) nicht vertragen. Alternative Basenpräparate, wie z. B. Natriumbikarbonat, erwiesen sich als ähnlich wirksam, kostengünstiger und nebenwirkungsärmer [4]. Das gilt insbesondere für magensaftresistente Präparate [5]. U. a. wegen gastrointestinaler Nebenwirkungen und besserer Bioverfügbarkeit empfiehlt eine interdisziplinäre Kommission Bikarbonat ausschließlich in magensaftresistenter Galenik einzunehmen. Pharmakologisch sinnvoll sind dabei allerdings nur Präparate mit einer Galenik, die eine schnelle Freisetzung des Wirkstoffes im oberen Dünndarm gewährleisten, während eine retardierte langsame Freisetzung (slow release) unerwünscht auch untere Darmabschnitte alkalisieren kann.
Literatur
[1] Dobre M, et al. Serum bicarbonate and cardiovascular events in hypertensive adults: […]. Nephrol Dial Transplant. 2019 Aug 14;gfz149. (Abstract )
[2] Al-Kindi SG, et al. Serum bicarbonate concentration and cause-specific mortality: […]. Mayo Clin Proc. 2020 Jan;95(1):113-123. (Abstract )
[3] Bellasi A, et al. Correction of metabolic acidosis improves insulin resistance […] BMC Nephrol. 2016 Oct 22;17(1):158. (Abstract )
[4] Boydston K, et al. The impact of alternative alkalinizing agents […]. Urology 2020;4295(20)30428-3. (Abstract )
[5] Hilton NP, et al. Enteric-coated sodium bicarbonate attenuates gastrointestinal side-effects. Int J Sport Nutr Exerc Metab. 2019 Nov 21;1-7. (Abstract )
Q10-Kristalle
Studien haben ergeben, dass Statine, die CoQ10-Spiegel verringern können. Das größte Problem im Praxisalltag sind die unter Statintherapie auftretenden Muskelschmerzen und -schädigungen, auch als SAMS (statin-associated muscle symptoms) bezeichnet. Neben einer Linderung von SAMS scheint eine Supplementierung mit CoQ10 bei Herzinsuffizienz von Nutzen zu sein. Dies zeigen diverse Forschungsarbeiten wie z. B. die Q-SYMBIO-Studie [1]. In dieser randomisierten, Placebo-kontrollierten, prospektiven Multicenterstudie wurde die Einnahme des CoQ10-Präparates (Bio-Qinon Gold®) bei Herzinsuffizienz untersucht.
Insgesamt erhielten 420 Patienten mit moderater bis schwerer Herzinsuffizienz ergänzend zur Standardtherapie 3x täglich jeweils 100 mg Coenzym Q10 (n = 202) oder ein Placebo (n = 218). Nach zwei Jahren zeigte sich in der CoQ10-Gruppe eine signifikante Verbesserung bei der NYHAKlassifikation. Zudem reduzierten sich in der Verum-Gruppe schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse und die kardiovaskulär bedingte Mortalität. Dies galt auch für die Gesamtmortalität (CoQ10: 10 % versus Placebo: 18 %). Darüber hinaus bestätigen zwei aktuelle italienische Übersichtsarbeiten die positiven Effekte von CoQ10 bei Herzerkrankungen [2, 3].
Literatur
[1] Mortensen SA, et. al.: The effect of coenzyme Q10 on morbidity and mortality in chronic heart failure […] JACC Heart Fail. 2014;2(6):641-9. (Abstract )
[2] Martelli A, et al. Coenzyme Q10: Clinical applications in cardiovascular diseases. Antioxidants (Basel). 2020; 9(4): E341. (Abstract )
[3] Di Lorenzo A, et al. Clinical evidence for Q10 coenzyme supplementation in heart failure: […]. J Clin Med. 2020; 9(5): E1266. (Originalarbeit )
Ausgabe 1/2019:
Schwerpunkt Diabetes (4,5 Mb)
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Video: 2,38 min
Die teilweise dramatischen Zusammenhänge zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und chronischer Übersäuerung können Sie in dem folgenden Video sehen. Hier haben wir eine aktuelle Studie ausgewertet, die das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, wie z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Tod, genau quantifiziert und damit die dringende Behandlungsbedürftigkeit einer Azidose untermauert.
Gemäß der deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG) leben in Deutschland aktuell ca. 1,8 Millionen Menschen mit einer Herzinsuffizienz. Laut klinischer Studien könnte die Einnahme einiger Nutrazeutika, darunter CoQ10 und Vitamin D, bei Patienten mit Herzschwäche, ergänzend zur Standardtherapie, mit Verbesserungen der subjektiv wahrgenommenen Lebensqualität und/oder funktioneller Parameter wie der linksventrikulären Auswurffraktion, des Schlagvolumens und der Herzleistung assoziiert sein. Der Nutzen dieser Substanzen scheint in den frühen Stadien der Herzinsuffizienz größer zu sein [1].
Literatur
[1] Cicero AFG, et al. Nutraceutical support in heart failure: A position paper of the International Lipid Expert Panel (ILEP). Nutr Res Rev. 2020; 1-25. (Abstract )
Curcumin, ein bioaktiver Bestandteil der Gelbwurz, werden neben choleretischen und cholekinetischen Wirkungen auch antioxidative, entzündungshemmende und kardiovaskulär schützende Eigenschaften attestiert [1]. Eine gestörte endotheliale Funktion ist ein wichtiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Curcumin könnte geeignet sein, Komplikationen kardiovaskulärer Erkrankungen zu mindern.
Eine systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse aus 10 randomisierten, kontrollierten Studien ergab, dass die flussvermittelte Dilatation (FMD) nach Curcumin-Supplementierungen signifikant zunahm [2]. Die FMD ist ein sensitiver Biomarker für den Zustand der Gefäßfunktion bzw. zur Beurteilung des kardiovaskulären Risikos. Da Curcuma die Galleproduktion anregt, sollte bei Gallengangsverschluss oder Erkrankungen der Gallenblase die Einnahme kritisch geprüft werden. Mögliche Präparate: Curcumin Extrakt 45 Dr. Wolz oder Kurkuma 2400 plus Piperin Bio, Fa. Sanitas etc.
Literatur
[1] Li H, Sureda A, et al.: Curcumin, the golden spice in treating cardiovascular diseases. Biotechnol Adv. 2020 Jan – Feb;38-107343. (Abstract )
[2] Hallajzadeh J, Milajerdi A, Kolahdooz F et al. The effects of curcumin supplementation on endothelial function: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Phytotherapy Research, Vol 33, Issue 11. 18 Aug. 2019. (Abstract )
In einer aktuellen Studie wird eine Serum-Vitamin D (25(OH)D))Konzentration von mindestens 75 nmol/l (entspricht 30 ng/ml) empfohlen. Die Prävalenzen eines metabolischen Syndroms (MetS) und eines Diabetes waren bei US-Amerikanern mit Serum-25(OH)D-Werten von mindestens 75 nmol/l signifikant geringer (MetS 21,6 %; Diabetes 4,1 %), als bei Personen mit Serum 25(OH)D-Spiegeln von weniger als 30 nmol/l (entspricht 12 ng/ml) (MetS 45,5 %, Diabetes 11,6 %).
Personen mit Serum 25(OH)D-Leveln von mindestens 75 nmol/l hatten signifikant geringere Werte bei folgenden Parametern: Taillenumfang, CRP, HbA1c, Nüchtern-Triglyceride, Gesamt-Homocystein und der Insulinresistenz sowie signifikant höhere HDL-Cholesterol-Spiegel und eine bessere kardio-respiratorische Fitness, verglichen mit den Probanden, deren 25(OH)D-Werte unter 30 nmol/l lagen [1]. Mögliche Präparate: Debora® 5.600 IE gelöst in Leinsamenöl, Sunday Natural 20.000 IE etc.
Literatur
[1] Ganji V, et al. Serum vitamin D concentration >= 75 nmol/L is related to decreased cardiometabolic and inflammatory biomarkers, […]. Nutrients. 2020;12 (3). (Originalarbeit )
Vitamin K ist wichtig für die Blutgerinnung, reduziert Entzündungen und reguliert den Kalziummetabolismus im Blut sowie den Knochenstoffwechsel. Somit unterstützt es auch die kardiovaskuläre Gesundheit [1]. Gemäß einer norwegischen, prospektiven Kohortenstudie mit 2.987 Probanden war eine höhere Zufuhr an Vitamin K2 (Menachinon) – nicht jedoch an Vitamin K1 (Phyllochinon) – mit einem geringeren Risiko für koronare Herzerkrankungen assoziiert [2]. Mögliche Präparate: Biogena Vitamin K2 100 enthält 100 µg in der aktiven all-trans Menaquinon-7-Form. Kombipräparat mit den Vitaminen K2 und D: Debora® plus K2.
Literatur
[1] Palmer CR, et al. Quantifying dietary vitamin K and its link to cardiovascular health […]. Food Funct. 2020;11(4):2826-2837. (Abstract )
[1] Haugsgjerd TR, et al. Association of dietary vitamin K and risk of coronary heart disease in middle-age adults: […]. BMJ Open. 2020 May 21;10(5):e035953. (Originalarbeit )
In einer Meta-Analyse mit 1.141 Teilnehmern wurden die Effekte von Zink auf kardiometabolische Risikofaktoren untersucht [1]. Die Studie zeigt, dass eine Zink-Supplementierung die Plasma-Konzentrationen an Triglyceriden, VLDL und Gesamtcholesterol sowie Nüchternblutzucker- und HbA1c-Werte signifikant senken kann. Zink hatte demnach vorteilhafte Effekte auf glykämische Parameter und das Lipidprofil. Daher scheint eine Zink-Supplementierung mit einer Verringerung kardiometabolischer Risikofaktoren assoziiert zu sein, die zu einem verminderten Arteriosklerose-Risiko beitragen. Mögliche Präparate: Zink Verla® C purKaps, Unizink® etc.
Literatur
[1] Khazdouz M, Djalalinia S, Sarrafi Zadeh S et. al. Effects of zinc supplementation on cardiometabolic risk factors: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Biol Trace Elem Res. 2020 Jun;195(2):373-398. (Abstract )