Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigsten Todesursachen in Deutschland, laut Ärzteblatt 338.000 Verstorbene (34%) im Jahr 2020. Sie verursachen mit rund 46 Milliarden Euro enorme Krankheitskosten. Um so wichtiger ist eine kardiovaskuläre Prävention mit Lebensstiländerungen, wie angepasste Bewegung und Ernährung, aber auch präventiv wirksame Medikamente. In der aktuellen Ausgabe finden Sie spannende Daten insbesondere zum starken kardioprotektiven Effekt einer leitlinienkonformen antiazidotischen Therapie. Weitere unterstützende Behandlungsmaßnahmen bieten lipidsenkende, antidiabetische, blutdrucksenkende und antithrombotische Therapeutika. Mit diesen können die Leitlinienziele effektiver erreicht und das klinische Outcome verbessert werden.
InhaltEine metabolische Azidose (cmA) wird durch einen reduzierten Serum-Bikarbonat-Spiegel unter 22 mmol/l definiert und ist bei einer chronischen Niereninsuffizienz (CKD) häufig. Eine aktuelle retrospektive Kohortenstudie (Azidose-Gruppe; n = 17.350) konnte nun den Zusammenhang zwischen schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen (MACE+) und einer cmA erstmalig genauer quantifizieren (1). Von der gesamten Studienpopulation erlitten 24.873 (48 Prozent) innerhalb von zwei Jahren ein MACE+-Ereignis. Eine cmA zu Studienbeginn war mit einer höheren Ereignis-Rate verbunden (58 % vs. 44 %, P < 0,001). Im Cox-Proportional-Hazard-Modell war jeder Anstieg des Serum-Bikarbonats um ein mmol/l mit einem Rückgang des Risikos für MACE+-Ereignisse um 4% verbunden.
Eine höhere ernährungsbedingte Säurebelastung (DAL = Dietary Acid Load) ist mit einer latenten cmA assoziiert und kann das Risiko für einen Typ-2-Diabetes erhöhen. Eine Studie an 545 Patienten konnte dokumentieren, dass eine höhere DAL mit einer Insulinresistenz und höheren Nüchtern-Insulin-Werten verbunden war [2]. Die Therapie einer cmA mit Natrium-Bikarbonat kann die Insulinsensitivität erhöhen, konnte eine Studie von Bellasi et al. [3] an 145 nicht-insulinpflichtigen Diabetikern mit CKD und cmA zeigen. Eine Anhebung des Serum-Bikarbonat-Spiegels auf 24-28mmol/l verbesserte im Gegensatz zur Kontrollgruppe die Blutzucker- und HOMA-IR-Werte signifikant (p = 0,004). Darüber hinaus verringerte sich der Bedarf einer antidiabetischen Medikation.
Eine frühzeitige Leitlinien-gerechte Therapie der chronischen metabolischen Azidose mit Natriumbikarbonat ist entscheidend, um schwere Folgeerkrankungen zu vermeiden. Dabei ist vor allem eine magensaftresistente Galenik (z. B. bei sodaNorm / bicaNorm), die eine schnelle Freisetzung des Wirkstoffes bereits im oberen Dünndarm gewährleistet, für Bioverfügbarkeit und Wirksamkeit von entscheidender Bedeutung.
Literatur
[1] Collister D, Ferguson TW, Funk SE, et al. Metabolic Acidosis and Cardio-vascular Disease in CKD. Kidney Med. 2021;3(5):753-761.e1 (Originalarbeit )
[2] Smeha L, et al.: Dietary acid load is positively associated with insulin resistance: a population-based study. Clin Nutr ESPEN. 2022;49:341-347. (Originalarbeit )
[3] Bellasi A, et al. Correction of metabolic acidosis improves insulin resistance in chronic kidney disease. BMC Nephrol. 2016; 17(1):158. (Originalarbeit )
In einer mehrjährigen Interventionsstudie erhielten 443 herzsuffiziente ältere Patienten mit niedrigen Selen- und Coenzym Q10-Status entsprechende Supplemente (Prüfmedikation: Q10-Bio-Qinon Gold und SelenoPrecise). Die Intervention führte bei einer Nachbeobachtungszeit von bis zu 12 Jahren zu einer signifikant niedrigeren kardiovaskulären Mortalität. In einem Update [1] untersuchten die Autoren mögliche Biomarker und Mechanismen, die zu dieser reduzierten Sterblichkeit führten.
Reduzierte Fructosamin-Konzentration: Höhere Konzentrationen sind mit einem erhöhten Risiko für Entzündungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert. Unter der Prüfmedikation konnten reduzierte Spiegel beobachtet werden (s Abb. 1).
Verringerter oxidativer Stress: Selenoproteine und Q10 sind wichtige endogene Antioxidantien und schützen vor Lipidperoxidationen. In der Studie zeigten sich z. B. reduzierte Copeptin-Serumspiegel und damit ein verringerter intrazellulärer oxidativer Stress (s. Abb. 2).
Weniger Entzündungen: Nach 48 Monaten Supplementierung konnten im Gegensatz zur Plazebogruppe signifikante Unterschiede bei verschiedenen Entzündungsparametern und eine geringere Entzündungsaktivität festgestellt werden.
Erhöhter Insulin-like growth factor 1 (IGF-1): Niedrige IGF-1-Spiegel korrelieren mit einem erhöhten kardiovaskulärem Risiko. Unter Q10 und Selen konnten höhere IGF-1-Spiegel beobachtet werden. Dies könnte positive intrazelluläre Effekte vermitteln, wie eine geringere Entzündungsaktivität und eine antiapoptotische Wirkung.
Endotheliale Funktion: Die Studie zeigte nach 36 Monaten Behandlung signifikant niedrigere Konzentrationen des von-Willebrand-Faktors und des Plasminogen-Aktivator-Inhibitor (PAI-1). Das deutet darauf hin, dass die Intervention zu einer geringeren endothelialen Dysfunktion führen kann.
Fibrose: In der Studie konnte in der Verumgruppe bei sieben verschiedenen Fibrose-Biomarkern eine signifikante Verringerung der Konzentrationen festgestellt werden. Das deutet darauf hin, dass unter Q10 und Selen faserige Umbauprozesse im Herz-Kreislauf-System positiv beeinflusst werden können.
Micro-RNA: Die Kombinationstherapie führte zu einem signifikanten Unterschied in der Expression von 90 micro-RNAs. Darunter waren mehrere mikro-RNAs, die mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzmuskelreparatur und Herzfunktion in Zusammenhang stehen.
Studien zur Kombinationstherapie mit Q10 und Selen konnten zeigen, dass neben Ejaktionsfraktion, Herzzeit- und Schlagvolumen auch Herz-relevante Biomarker positiv beeinflusst werden, die insgesamt zu einer besseren Lebensqualität und einer reduzierten Mortalität führen können. Weitere aktuelle Studien weisen darauf hin, dass Q10 auch bei anderen Erkrankungen mit oxidativen Stress hilfreich sein kann (z. B. Chronisches Fatique [2], Makuladegeneration [3]).
Literatur
[1] Alehagen U, et al.: Improved cardiovascular health by supplementation with selenium and coenzyme Q10 [...]. Eur J Nutr. 2022 Sep; 61(6):3135-48. (Originalarbeit )
[2] Castro-Marrero J, et al.: Does Coenzyme Q10 Plus Selenium Supplementation Ameliorate Clinical Outcomes by Modulating Oxidative Stress and Inflammation in Individuals with Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome? Antioxid Redox Signal. 2022; 36 (10-12): 729-739. (Originalarbeit )
[3] Qu J, et al.: Coenzyme Q10 in the human retina. Invest Ophthalmol Vis Sci. 2009 Apr;50(4):1814-8. (Originalarbeit )
Ausgabe 1/2019:
Schwerpunkt Diabetes (4,5 Mb)
Ausgabe 2/2020:
Schwerpunkt Herz (4,7 Mb)
Ausgabe 3/2021:
Metabolisches Syndrom (1,5 Mb)
Ausgabe 4/2021:
Geriatrische Prognose (3,1 Mb)
Ausgabe 5/2023:
Herz-Kreislauf-Erkrankungen (2,2 Mb)
Video: 2,38 min
Die teilweise dramatischen Zusammenhänge zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und chronischer Übersäuerung können Sie in dem folgenden Video sehen. Hier haben wir eine aktuelle Studie ausgewertet, die das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, wie z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Tod, genau quantifiziert und damit die dringende Behandlungsbedürftigkeit einer Azidose untermauert.
Weißdornblüten und -früchte
Weißdorn (Crataegus) kann durch eine Multi-Target-Wirkung einen myokardialen Schutz aufbauen und bei der Behandlung von Herz-Kreislauf-Krankheiten (CVD) hilfreich sein. Zwei Übersichtsarbeiten [1, 2] beschreiben die positiven Wirkmechanismen:
Antihypertensiv: Weißdornextrakt senkte signifikant den mittleren diastolischen Blutdruck und zeigte eine periphere Gefäßerweiterung.
Lipidregulierend und antiatherosklerotisch: Weißdorn kann Blutfettwerte regulieren und bei Arteriosklerose helfen.
Positiv inotrop: Weißdorn kann durch eine Erhöhung der intrazellulären myokardialen Kalzium-Konzentrationen die Kontraktionskraft verbessern.
Antiinflammatorisch: Herabregulierung der COX-2-, TNF-α-, IL-1β- und IL-6-Expression sowie u.a. Hemmung der peritonealen Leukozyteninfiltration.
Strukturell: Kardiales Remodeling mit Veränderungen der Wanddicke, der Kammergröße, der Zellgröße und -zahl sowie Volumen der Matrix.
Anti-koagulierend: Crataegus konnte in niedrigen Dosen die ThrombozytenAggregation hemmen und die Blutungszeit verlängern.
Weitere kardiovaskuläre Schutzmechanismen, wie Besserung einer Endothelbarrieren-Dysfunktion, Reduktion der Migration und Proliferation von glatten Muskelzellen sowie antiischämische und antiarrhythmische Effekte zeigen, dass Crataegus-Extrakt (z. B. Crataegutt) hilfreich bei CVDs sein kann.
Literatur
[1] Zhang J, et al.: Food Applications and Potential Health Benefits of Hawthorn. Foods. 2022; 11(18): 2861. (Originalarbeit )
[2] Kawagishi H: Chemical studies on bioactive compounds related to higher fungi. Biosci Biotechnol Biochem. 2021 Jan 7;85(1):1-7.(Originalarbeit )
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Eine systematische Übersichtsarbeit [1] untersuchte die Auswirkungen von Knoblauch auf kardiovaskuläre Erkrankungen. Die Autoren analysierten 57 randomisierte kontrollierte Studien und fanden heraus, dass die Einnahme von Knoblauch signifikante Auswirkungen auf verschiedene kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Blutdruck, Lipidprofil und Entzündungswerte hatte. Ein weiteres aktuelles Review [2] untersuchte die Effekte von Knoblauchextrakt auf den Lipidstoffwechsel und auf Entzündungen bei KHK. Auch dieses Review konnte zeigen, dass Knoblauchextrakt signifikant positive Auswirkungen auf LDL-Cholesterin, Triglyceride und C-reaktives Protein hatte. Die Autoren schlussfolgerten, dass Knoblauchpräparate eine vielversprechende Alternative oder Ergänzung zur schulmedizinischen Therapie bei der Prävention und Behandlung von kardiovaskulären Erkrankungen sein könnten.
Literatur
[1] Imaizumi VM, Fornari LL, Manzan B, et al.: Garlic: A systematic review of the effects on cardiovascular diseases. Crit Rev Food Sci Nutr.2022 Feb 23;1-23. (Abstract )
[2] Gadidala SK, Johny E, Thomas C, et al: Effect of garlic extract on markers of lipid metabolism and inflammation in coronary artery disease (CAD) patients: A systematic review and meta-analysis. Phytother Res. 2023 Jan 14. Online ahead of print (Abstract )